Hurrikan

Shownotes

Es war unerträglich heiß. Bruce stand in der langen Schlange vor dem Supermarkt, der mit dem Namen Ackerhalle nicht nur treffend beschrieben war, weil er an der Ackerstraße lag, sondern auch, weil von ihm eine gewisse Eleganz von Grobschlächtigkeit ausging. Das lag nicht allein an der herablassenden Industriearchitektur aus historisch verträumtem Backstein und martialischem Kasernenvorbild, sondern vor allem an den Leuten, die dort arbeiteten, die ihre Unhöflichkeit beinahe schon frech zur Schau stellten, mit der sich der selbsternannte kleine Mann von der Straße in Berlin stets in Position zu bringen verstand.
Gottseidank hatte Bruce bisher niemanden erkannt. In den letzten Monaten war er wieder öfter angesprochen worden, ob er nicht der sei. Die fürchterlichen Schlagzeilen vom vergangenen Jahr, keine neun Monate her, wie Ex-Kinderstar: Unfall – 2,0 Promille! waren womöglich noch nicht ganz vergessen. Wochenlang hatte er sich in seiner Wohnung verschanzt, dann halbherzig eine Therapie über sich ergehen lassen. Wenn er jetzt die Augen schloss, um sich für Momente aus dieser angespannten Situation wegzuträumen, kam ihm unweigerlich die leise, behutsame Stimme seines Psychiaters in den Sinn. „Machen Sie sich immer klar, dass Sie sich mit Alkohol vergiften. Langfristig wirkt es nicht nur wie Gift – es ist Gift.“ Seine Worte hatten einen schmerzhaften Automatismus ausgelöst. Er trank nicht mehr, seinen letzten Rückfall hatte er allerdings noch vor ein paar Wochen erlebt, aber dieser war, verglichen mit seinen Exzessen der Vergangenheit, beinahe harmlos gewesen, und er hatte es geschafft, sich in den darauffolgenden vier Tagen selbst zu entgiften, indem er immer weniger trank, bis er schließlich glaubte, seit Jahren einfach wieder trocken zu sein...

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